Vom Problem zur Strategie?

Was passiert eigentlich genau beim Coaching? Im Grunde handelt es sich um einen Prozess, der äußerlich aus einer Reihe von intensiven Gesprächen besteht - nicht unähnlich eine Kurzzeittherapie, aber für Menschen ohne Störung - und im inneren eine nachhaltige Veränderung auslöst. Ein ganz entscheidender Unterschied, nicht nur zur alltäglichen Herangehensweise sondern zum Beispiel auch zum gesellschaftlichen oder politischen Umgang mit Problemen ist dabei, dass beim Coaching nicht gleich zur Problemlösung übergegangen wird. Wobei wir im Coaching ohnehin nicht von "Problemen" sprechen sondern eher von Themen, mit denen der Klient beschäftigt ist.
Hier ein Beispiel für ein normales, gut gemeintes Gespräch zum Thema Problemlösung:
Manager beim Bier: "Mir steht meine neue Aufgabe als Vorgesetzter einer Abteilung mit 500 Mitarbeitern bevor. Bisher habe ich nur in kleinen Teams gearbeitet." Freund mit gut gemeintem Rat: "Ach, das ging mir genauso. Pass auf, Du musst einfach zuhören und immer für Deine Leute da sein, ihnen aber auch gleichzeitig zeigen, wer der Chef ist! Dann läuft das schon." Oder im politischen Bereich. Journalist: "Die vielen Flüchtlinge zerreissen das Land!" - Politiker: "Wir müssen nun unbedingt eine Quote einführen / die Entwicklungshilfe erhöhen / Flüchtlingslager in der Türkei finanzieren".
Was hier geschieht, ist, dass von der Problembeschreibung direkt in die Lösungsstrategie gesprungen wird. Es werden konkrete Maßnahmen empfohlen. Beim Coaching gibt es im Gegensatz zu dieser "normalen" Vorgehensweise zwei ganz entscheidende Schritte vor der Entwicklung einer Maßnahmenstrategie: Erstens wird mit dem Klienten ganz intensiv an seinem Ziel gearbeitet. Es wird also, nachdem das Thema besprochen und ein gemeinsames Verständnis von ihm entwickelt wurde, die Frage geklärt, wie die Welt denn aussähe, wenn alles gut wäre. Ganz konkret. Aber erstmal ohne das Ziel als unrealistisch abzutun. Ruhig etwas visionär / utopisch. Auf das politische Beispiel von oben angewandt hieße das, erst einmal zu klären, wie unser Land denn sein soll, so dass wir es gut finden. Z.B. offen, hilfsbereit aber auch funktionierend und selbstwirksam. Denn: Wenn man nicht weiß, wohin man segeln will, ist kein Wind der richtige. Ich bin der Meinung, dass diese Diskussion, nämlich darüber, in was für einem Land wir eigentlich leben wollen, im letzten Jahr viel zu kurz kam. Besonders die vernünftigen Politiker der Mitte hätten hier sicherlich einiges an Abwanderung von Wählern zur AfD verhindern können. Stattdessen wurde aber vor allem immer und immer wieder besprochen, wie Schlimm die Lage ist (Problem) und was nun zu tun sei (Strategie). Um direkt danach wieder zu beschreiben, wie schlimm die Lage ist.
Im nächsten Schritt nach der Zielfindung
klären wir im Coaching sehr intensiv, welche Ressourcen es braucht, um das Ziel zu erreichen. Was liegt schon vor, was muss noch dazukommen, und wie kommen wir an die fehlenden Ressourcen heran? Das können genauso externe Dinge (Geld, Zeit, Fähigkeiten) wie Einstellungen, Haltungen (Mut, Selbstbewusstsein) oder sogar Gefühle sein. und wenn man das alles erarbeitet hat, ist die "Strategie" im Sinne eines Maßnahmenkatalogs und wann was zu tun sei, meistens so naheliegend und einfach aufzustellen, dass der Klient das ganz ohne den Coach macht. Nur: Wenn man direkt vom Problem zur Strategie springt, hat man im Grunde gar nicht geklärt, was man will und die Diskussionen darüber fangen immer wieder an. Das heißt: Im privaten, beruflich und sogar im gesellschaftlichen Kontext hilft es oft, die vier grundlegenden Phasen eines Coachings zu bedenken:
1. Das Thema klären,
2. ein leuchtendes Ziel entwickeln,
3. die Ressourcen abklären
4. und dann erst die Strategie aufstellen.